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roadtrip argentinien ׀ friedliche indianer, ein ort ohne sorgen und ein weg, der sprachlos macht – faszinierender nordwesten

1. Dezember 2018

der nordwesten argentiniens übt noch immer eine besondere anziehungskraft auf mich aus. mit großen augen und immer wieder staunend über die atemberaubende landschaft fahren wir durch die roten sandsteinschluchten der ‚quebrada del rio de las conchas‘ von ‚cafayate‘ richtung ’salta‘. man wähnt sich in einer filmkulisse. alles scheint zu schön und zu perfekt. die pure idylle gepaart mit sonnenschein, angenehmen temperaturen und – bester laune.

runter vom berg

kurz haben wir überlegt, noch eine nacht im ‚tafi del valle‘ dranzuhängen. da der ort aber nicht so viel zu bieten hat und noch so viel schönes kommt, entschließen wir uns weiterzufahren. so lassen wir den kleinen, von sanften, grünen hügeln umgebenen ort hinter uns und fahren, vorbei an friedlich grasenden wildpferden, wieder hinunter ins tal richtung ‚ruinas del quilmes‘. nach dem hinweisschild an der straße und fünf kilometern unbefestigtem weg liegt sie vor uns, die heilige ruinenstadt der quilmes-indianer. beobachtet von einem gleichgültig dreinblickenden alpaka lösen wir unsere tickets und passieren die erste kontrolle. auch hier hat sich einiges getan. vor zehn jahren saßen hier auf plastikstühlen einige mitglieder des indigenen quilmes-stammes mit großen transparenten, um für ihre rechte und ihr eigentum zu demonstrieren.

damals und heute

die quilmes waren einst ein friedliches volk von jägern, farmern und künstlern. bei bedarf verteidigten sie jedoch tapfer ihr land. ab ca. 1480 hinterließen die inkas ihre spuren in sprache, architektur und gebräuchen. später gab es erste unruhen. um 1666, am ende eines langen krieges, wurden die quilmes letztendlich von den spaniern in die nähe von buenos aires umgesiedelt. nicht alle beugten sich ihrem schicksal, aber die alten zerstörten städte wurden gemieden. sie wurden geduldet, mussten aber kostenlos für die neuen landbesitzer arbeiten. in den 60er jahren wurde begonnen, ihre länder wieder hartnäckiger einzufordern. mittlerweile ist die eigentumsfrage wohl geklärt und der stamm hat die anlage mit viel geschmack und liebe zum detail herausgeputzt.

modernes museum

eine zeitleiste, die parallel das weltgeschehen sowie die entwicklung der quilmes und argentiniens darstellt, fesselt uns als erstes. in weiteren räumen gibt es bildschirme mit tollen, animierten kurzfilmchen, die das leben, den alltag und die rituale der quilmes beschreiben sowie vitrinen mit gegenständen, werkzeugen, schmuck etc. von damals. die vertonung und beschriftung sind bisher nur auf spanisch, aber ich denke, auch da wird sich sicherlich einiges tun. nach dem museumsbesuch erforschen wir die ruine der stadt, die klug in eine senke in die bergwand gebaut wurde. so ergab sich ein fantastischer ausblick weit in die ferne und über das ganze tal und der nahende feind blieb nicht verborgen.

geschichtenerzähler

ich lasse mich in der sonne auf einer der grundmauern neben einem großen kaktus nieder und der aufkommende wind, der mir um die ohren rauscht, erzählt mir eine geschichte von damals. so sitze ich eine kleine weile, lausche, und vergesse ein bisschen die zeit. bis mein lieblingsalles mich ins hier und jetzt zurückholt. als wir uns unten im schatten kurz auf einer bank niederlassen um etwas zu trinken, fragt uns einer der jungen männer, ob wir ihn bis zur hauptstraße vorne mitnehmen können. es dauert einen moment bis wir genau wissen, was er von uns möchte. ismail spricht kein englisch und wir, das wisst ihr ja, solamente brocken von spanisch. und dennoch erfahren wir während der kurzen fahrt, dass rund um die ruine, auf zwei dörfer verteilt, ungefähr 2000 quilmes leben. viele von ihnen arbeiten im schichtbetrieb in den ruinen. als er hört, dass wir aus deutschland kommen, ist er, wie alle, natürlich begeistert von unseren fußball-teams, aber auch von den technologien, die bei uns entwickelt werden.

schaufel richten

‚cafayate‘ – „wo man die sorgen begräbt“. irgendwo habe ich gelesen, dass das eine bedeutung des ortsnamens ist. es gibt wohl ganz viele, aber diese gefällt mir persönlich am besten. die gegend rund um ‚cafayate‘ gilt als höchstes weinanbaugebiet der welt. der hübsche ort ist also umgeben von grünen reben und voll auf den tourismus ausgerichtet. aber auch wieder mit viel hingabe und geschick. da wir zwei nächte hier verbringen bleibt genügend zeit, um gemütlich durch die straßen zu bummeln und in den individuellen, schicken lädchen und geschäften zu stöbern. dort und an den ständen des kunsthandwerk-marktes gibt es allerlei schönes aus holz und korb und tatsächlich wandert das ein oder andere souvenir in den rucksack, in die klitzekleinen freiräume zwischen unseren packtaschen. durch die vielen touristen, die hier gerne halt machen, gibt es für den abend eine reiche auswahl an restaurants. wir sind immer noch auf der suche nach dem perfekten ‚bife de lomo‘. das klappt zwar nicht ganz, aber das abendessen ist schon fein.

ein highlight jagt, mal wieder, das nächste

noch beseelt von dem lauschigen ‚cafayate‘ fahren wir auf der ruta 68 dem nächsten glanzpunkt entgegen. das glück ist auf unserer seite in form von gutem wetter und sonnenschein. die besten voraussetzungen, um die ‚quebrada de cafayate‘ in ihren schönsten farben zu erleben. das grün wird sicherlich im laufe des sommers noch saftiger werden, aber das rot der sandsteinfelsen und die natürlichen farben der anderen steinformationen strahlen uns kräftig und wirkungsvoll entgegen. die verschiedenen gebilde aus vertikalen und horizontalen gesteinsschichten sind wirklich megacool und aufgrund der skurrilen formen, die man entlang der strecke nach salta findet, hat man diese auch wieder benamst. „el anfiteatro“, „la garganta del diablo“ oder „las ventanas“ (das amphitheater, der teufelsschlund oder die fenster). da stefan auf zuruf immer wieder anhalten muss bete ich inständig, dass ich nicht irgendwann hinters lenkrad muss. denn dann könnte ich nicht während der fahrt in aller ruhe spazieren kucken und staunen, und mich von der schönheit um mich herum blenden lassen.

positiver rinderwahnsinn

ein ums andere mal machen wir einen stopp, laufen in lange täler, erkunden vertikale felsspalten, schlängeln uns kleine berge hinauf und lauschen im runden steintheater dem spiel und echo der panflöte. als ich in die schlucht zum fast komplett ausgetrockneten flussbett des ‚rio de las conchas‘ schaue, sehe ich in einiger entfernung vier aufgedrehte pferde. belustigt beobachte ich sie ein bisschen wie sie ausgelassen hüpfend und sich gegenseitig neckend entlang dem schmalen rinnsal immer näher kommen und stelle dann erstaunt fest, dass es sich gar nicht um pferde handelt, sondern um eine gang aus jungrindern. noch nie habe ich rinder so spielen und tollen sehen. sie scheinen richtig spaß zu haben.

null null ist nicht

unterwegs fällt uns ein schild mit der aufschrift „bebidas“ vor einem schönen haus mit angebundenen alpakas ins auge. diese sieht man in freier natur leider gar nicht mehr. weder alpakas noch lamas. schon bei den quilmes-indianern habe ich sie, in freier laufbahn, vermisst. hier und da sieht man ab und an welche hinter zäunen oder angebunden vor häusern. aber in freiheit: fehlanzeige. entweder sind sie alle der pfanne zum opfer gefallen oder man hält sie gefangen, um sich einfacher ihrer wolle bedienen zu können. definitiv etwas, das schmerzlich fehlt. wir halten also an, kaufen uns ein kaltgetränk und setzen uns vor das niedliche, reizend dekorierte haus mit den schönen, handgearbeiteten keramiksachen. durch eine weitere, kleine tourigruppe kommen wir sogar in den genuss, die lustigen alpakas mit mais zu füttern. gierig schlabbern sie uns die trockenen körner aus der hand. meine frage ob es eine toilette gibt, wird allerdings mit einem kurz angebundenen, fast schon unfreundlichen „no“ beantwortet. okay, ich hätte auch was gegeben. aber nach dieser rüden abfuhr frage ich lieber nicht noch einmal nach.

ende des ersten aktes

wie erwartet haben wir für das erste imposante stück weg eeewig gebraucht. zu viel zu sehen. und als würde der vorhang der vorstellung fallen, verabschiedet sich auch die sonne für heute. bis nach salta sind es noch knapp zwei stunden, also geben wir gas. mittlerweile schon daran gewöhnt sind wir nicht mehr verwundert, als sich das landschaftsbild ziemlich plötzlich wieder ändert. mehr grün, mehr rinder und ziegen, gemüse- und tabakfelder. dazwischen durchfahren wir immer wieder kleine verträumte nester, bevor wir salta erreichen.

außen hui. innen auch

unser mini-apartment mit gemeinschaftsküche befindet sich etwas außerhalb, dennoch machen wir uns am nächsten tag zu fuß auf den weg richtung innenstadt. witzigerweise kann ich mich an die meisten (klein-)städte in denen ich schon wahr, nicht mehr so wirklich erinnern. an die landschaften drumherum dafür um so mehr. als ich die ungewöhnlichen kirchen von salta sehe, kommt die erinnerung allerdings zurück. der turm der ‚iglesia san francisco‘ gilt als der höchste kirchturm in südamerika und auch die fassade des gotteshauses ist sehr ungewöhnlich. elfenbeinfarbene girlanden, blumen und schilder zieren den terrakottafarbenen untergrund. ungewöhnlich und originell sind vor allem die volantvorhänge aus stuck in den eingangsbögen. innen wird man dann krass gegensätzlich von zarten elementen in pastelltönen überrascht. eine wilde nummer.

hübsch und beschaulich

„la linda“, die hübsche, so der beiname der zweitgrößten stadt im nordwesten, die unwahrscheinlich entspannt daher kommt. das mag ein stückweit daran liegen, dass wir das zentrum zur siesta erreichen. die meisten geschäfte sind geschlossen, aber rund um die ‚plaza 9 de julio‘ finden sich doch einige bewohner und auch touristen. im pavillon des mit unzähligen baumarten bestückten parks werden die tauben gefüttert, der popcorn-mann rüstet sich für das nachmittagsgeschäft und eine schweizerin zieht laut telefonierend ihre runden. daneben holpert der blumenverkäufer mit seinem bunt beladenen wagen übers kopfsteinpflaster und straßenhändler breiten ihren schmuck auf den gehwegen aus. durstige mäuler nutzen das kostenlose angebot aus dem trinkbrunnen und der schuhputzer wirbt fröhlich-scherzhaft um neue kunden. auch die cafes unter den arkaden der hübschen kolonialgebäude rund um die plaza sind gut besucht. als wir gerade die süße, rosafarbene kathedrale von außen bewundern, dringt vom anderen ende des parks live-musik herüber. auf der parkpank sitzt ein mann mit der gitarre, daneben steht ein sänger und um sie herum hat sich eine kleine gruppe versammelt, die mit taschentüchern in den händen tanzend und lachend über die wege gleitet. an einem nachmittag in salta.

umnebelt

der berühmte herr der stadt, die rede ist vom hausberg ‚cerro san bernardo‘ auf 1458 metern höhe, bleibt uns allerdings vorenthalten. da er meist von wolken und nebel umzingelt ist, sparen wir uns die fahrt mit der seilbahn und verzichten etwas unfreiwillig auf den blick von oben.

chronisch instabil

florencia, unsere vermieterin hat uns erzählt, dass die hübsche stadt salta und deren gleichnamige provinz sowie ganz argentinien gravierende probleme hat. durch verschiedene maßnahmen der regierung (unter anderem die erhöhung von gas, wasser und elektrizitität um mehr als 1.500 prozent!) mussten in der provinz salta unzählige mittelständische betriebe schließen und deren mitarbeiter entlassen. außerdem wurden landesweit über 100.000 angestellte der öffentlichen verwaltung gekündigt.
27 prozent der bevölkerung befinden sich mittlerweile unter der armutsgrenze und auch teile der mittelschicht sind durch die inflation gefährdet, unter die armutsgrenze zu rutschen.

als chronisch instabil hat man die argentinische geschichte vor vielen jahren beschrieben. das trifft es wohl leider wieder oder immer noch genau auf den punkt.

fortsetzung folgt…
 
 

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