wahrscheinlich steht jeder peru-reisende irgendwann vor der frage: nach puno zum titicaca-see reisen ja oder nein? einige sagen ganz klar ja, auch wenn der ort mega touristisch ist. andere empfehlen die bolivianische seite des titcaca-sees zu besuchen. wir haben uns für puno entschieden und haben es (in teilen) nicht bereut. eine sache aber lässt uns mit hochgezogener augenbraue zurück…
ne, oder?
die busgesellschaft, die wir wie immer über redbus.pe gebucht haben, ist dieses mal leider die reinste katastrophe. der bisher schlechteste bus in südamerika. es fängt damit an, dass wir der dame am busbahnhof jede information einzeln aus der nase ziehen müssen. wann wir wo genau sein sollen? müssen wir unser gepäck wieder abholen oder wird das automatisch in den bus eingeladen etc. als der bus erscheint, muss ich erst mal krümel in der menge einer familienmahlzeit von den sitzen klopfen. lecker. danach stehen wir eine halbe stunde in der prallen hitze und brutzeln hinter den glasscheiben. allen rinnt der schweiß von der stirn. die hoffnung, dass die klimaanlage nach abfahrt funktioniert, stirbt nach kurzer zeit. entertainment in form von filmen – fehlanzeige. wobei. es gibt unterhaltung der anderen art. einer der fahrgäste entpuppt sich als verkäufer von heilenden pülverchen und im gang stehend erzählt er ungelogen ca. 45 minuten in einer nicht angenehmen lautstärke über die langanhaltende wirkung des produktes. die luft wird immer dünner. zwischendurch öffnen wir die dachluken, um nicht zu ersticken.
ja, ja und jaaa!
die schönen seiten der fahrt finden außerhalb des busses statt. um nach puno zu kommen, müssen wir erst mal die vulkane rund um arequipa umfahren. so kommt es, dass wir den chachani und misti auch noch von hinten kennenlernen. von stunde zu stunde wird die landschaft schöner. zuerst tauchen kleine büsche auf. dann sehen wir die ersten alpakas und guanacos in freiheit, berge und felskanten mit interessanten gesteinsschichten und pünktlich zum sonnenuntergang fahren wir ein stückweit an der lagune ‚lagunillas‘ entlang. wow! das sieht so schön aus. wie gerne würde ich jetzt anhalten, durchatmen, den sonnenuntergang genießen und ein paar bilder machen. als wärs nicht schon schön genug, entdecken wir sogar noch ein paar flamingos.
fakten, fakten, fakten
arequipa lag ja schon ziemlich hoch. puno setzt noch eins drauf. die stadt in der andenhochebene im süden von peru liegt auf 3.827 metern höhe am ufer des heiligen titicaca-sees. um den namen des sees richtig auszusprechen, bedarf es dem schweizerischen laut ‚ch‘. achtung klugscheißer-wissen! es handelt sich dabei um den velaren frikativ-laut. ein gaumensegel-reibelaut, der sich wie ein schnarchton anhört. gesprochen also titichacha-see. der see ist riiiiiiiesig, ca. 15,5 mal so groß wie der bodensee, und dennoch nur der achtzehngrößte natürliche see der welt. aber immerhin das höchstgelegene kommerziell schiffbare gewässer der erde. er ist 178 km lang und ca. 67 km breit.
trainingslager
tatsächlich haben spätestens hier einige reisende probleme mit der höhenkrankheit. prinzipiell haben wir alles richtig gemacht, da wir uns von lima langsam „hochgearbeitet“ haben. bisher war das einzige, was wir bemerkt haben, leichte kopfschmerzen. in puno äußert sich die höhe noch in anderer form. wir haben ein zimmer im fünften stock ohne aufzug. eigentlich kein problem, da wir in deutschland auch im fünften stock ohne aufzug wohnen. hier allerdings wird es ab stock drei richtig anstrengend, wir kommen ordentlich aus der puste und das herzlein klopft doll. blöd, wenn man unten an der rezeption mal schnell was fragen muss. nicht selten hört man vor der zimmertür jemanden hecheln.
gefühlte kleinstadt
als wir abends ankommen, bestellen wir uns eine pizza aufs zimmer. die busfahrt hat uns geschafft und wir sind beide nicht ambitioniert, zum essen noch mal rauszugehen. erst am nächsten morgen lernen wir die stadt und seine bewohner ein bisschen näher kennen. hatte ich schon erwähnt, dass in peru demnächst wahlen anstehen? das ganze land ist mit wahlplakaten gepflastert. etliche häuserwände sind mit parolen und namen der kandidaten bemalt und überall finden kundgebungen und wahlveranstaltungen statt. so auch in puno. überhaupt scheinen die menschen in peru gerne auf die straße zu gehen, um zu demonstrieren. am ‚plaza de armas‘ treffen wir zusätzlich auf eine ethnische gruppe, die sich vor einem haus gruppiert hat. leider ist es schwierig herauszufinden, wobei es darum geht.
klein, aber keineswegs hässlich
in die ‚basilca menor‘ am hauptplatz werfen wir nur einen kurzen blick, da gerade eine beerdigung stattfindet. um dem ganzen trubel ein bisschen aus dem weg zu gehen, trollen wir uns zurück zum ‚parque pino‘, kaufen uns leckere empanadas und zum nachtisch alfajores (leckeres schmalzgebäck) und pflanzen uns auf eine bank. wenn der wind still steht, hat es die höhensonne ganz schön in sich. es ist mittagszeit und die schulkinder zotteln tratschend und lachend an uns vorbei. die jungs in uniformen, die wie militäranzüge aussehen, die mädels tragen wie meist faltenröcke und die ganz kleinen tragen weiße mäntelchen und weiße mützen mit nackenschutz. ob das weiß so richtig sinn macht? sie sehen auf jeden fall niedlich aus. um uns herum picken die tauben eifrig unsere krümel. wer sagt, puno wäre hässlich, tut dem ort meines erachtens unrecht.
raus aufs land
für den nachmittag haben wir uns ein taxi bestellt, dass uns zu den ca. 30 kilometer entfernten grabstätten von ’sillustani‘ bringt. nach ungefähr zwanzig minuten verlassen wir die geteerte straße und fahren auf unbefestigten wegen vorbei an kleinen siedlungen. die häuser sind althergebracht aus natursteinen gebaut und mit strohdächern gedeckt. meist sind es weniger als zehn, die von einer mauer umgeben sind. vor den runden torbögen, die als eingang in die kleinen mini-dörfer führen, sind immer ein paar alpakas angebunden, die am spärlichen gras knabbern. die landschaft an sich und auch einige flussbetten sind, wie bisher überall, ziemlich trocken. auf den weiden sieht man traditionell gekleidete frauen mit ihren kleinen kindern rinder und schafe hüten.
pure idylle
als wir den ‚umayo‘-see erreichen, bin ich schon hin und weg. die landschaft und der blick der sich uns hier bietet, ist sensationell. eine herde rinder watet entspannt durchs seichte nass und das licht des frühen nachmittags spiegelt sich weich im wasser. der blick geht weit über die sanften hügel hinweg. ich frage, ob wir kurz anhalten können, um die schöne stimmung mit der kamera einzufangen. ein paar minuten später steigen wir erneut aus dem auto. in zwei stunden treffen wir uns mit unserer sympathischen fahrerin wieder.
gräber mit aussicht
natürlich gibt es auch hier diverse stände mit souvenirs, handarbeiten und allerlei nippes sowie ein hübsch gestaltetes cafe. die frauen begrüßen uns freundlich und zurückhaltend. um die gräber oder mausoleen, die sogenannten ‚chullpas‘ der colla-kultur und später der inka zu besichtigen, muss man zuerst ein stück weit den hügel hoch wandern. das gute ist, dass sich nur wenige touristen hierher verirren. so kann man die gräber in aller ruhe besichtigen und nebenbei entspannt die grandiose aussicht genießen. die grabmale, die für die elitären colla und inka außerhalb der stadt errichtet wurden, sind ziemlich verblüffend. im innern befindet sich eine art hohler kegel, in dem die toten als bündel geschnürt beigesetzt wurden. auch hier mit besitztümern wie kleidung und schmuck. drumherum wurde dann der turm, mit einer kleinen öffnung richtung aufgehende sonne, also osten, gemauert. wie so oft fragt man sich, wie um alles in der welt konnten diese bauwerke entstehen? wir reden hier vom 13. bis 15. jahrhundert. die steine sind riesig und akkurat bearbeitet und aufeinander gesetzt. an einem der gräber ist noch eine rampe sichtbar die zeigt, wie die mächtigen steine wohl nach oben transportiert wurden. wie, ist also klar. aber womit? das gelände, auf dem die gräber verteilt sind, ist sehr weitläufig und immer wieder hat man die spektakuläre aussicht auf den see und weit über das land. ein traum. als wir uns langsam zurück auf den weg zum taxi machen, kommen uns doch noch ein paar mehr touristen entgegen. allerdings immer noch überschaubar. auf der fahrt zurück in die stadt werfen wir aus dem auto einen kurzen blick nach bolivien – auf die berge am horizont.
touri-nummer vom feinsten
vor dem nächsten tag graut es mir ein bisschen. ein gebuchter tagesausflug. die absolute touri-nummer. leider lässt sich das gebuchte auf eigene faust schlecht erkunden, also beißen wir in den sauren apfel, weil wir die inseln im titicaca-see gerne sehen wollen und sind auf das schlimmste gefasst. frühstück im hotel soll es eigentlich ab 6.15 uhr geben. um 6.45 uhr werden wir abgeholt. den ausflug haben wir übers hotel gebucht also sollte klar sein, dass wir vorher noch frühstücken wollen. außer heißem wasser und wurst ist allerdings noch nichts da. weder besteck noch brötchen. nach zehn minuten warten fragen wir etwas genervt nach. derweil erscheint ein gast auf der bildfläche, geht zum grade erschienen brötchenkorb und fasst ein brötchen nach dem anderen an, bis er sein lieblingsbrötchen ertastet hat. wir schauen uns nur kopfschüttelnd an. ein ganz ein feiner mensch. da nicht mehr viel zeit zum essen bleibt, richten wir uns was zum mitnehmen und gehen nach unten zur rezeption. und ratet, wer heute auch mit an bord ist. genau. der brötchen-toucher und seine mama. die ist allerdings ziemlich nett und kommunikativ. mit großen augen fragt sie uns, was man denn drei nächte hier macht und wir erzählen ihr von der schönen landschaft und den gräbern.
noch schnell ein lied
das wetter zeigt sich auch heute wieder von seiner besten seite. morgens und abends ist es zwar richtig frisch, eigentlich schon kalt, aber tagsüber lässt es sich in der sonne gut im t-shirt aushalten. auf dem boot mit den ‚firts class‘ sitzbezügen angekommen (hier kein schreibfehler), warten wir erst mal ein weilchen. zwischendurch erscheint ein panflöten-gitarren-musiker und spielt und singt uns ein liedchen, als ginge es um leben und tod. oder muss er auf den bus? ehrlich gesagt klingt es, als spiele er zum zweiten mal in seinem leben. natürlich hetzt er nur deshalb so, weil er das boot vor dem ablegen verlassen muss. und ja, wir geben ihm trotzdem was. stefan greift zur fünf soles münze. „fünf?“ frage ich. „gestern haben wir ein twix bei der lady am süßkram-stand zurück gegeben, weil es fünf soles kosten sollte“, lache ich. stefan scherzt: „da er so viel bekommt, denkt er jetzt bestimmt, er ist gut. damit stärken wir sein selbstbewusstsein.“ ob das jetzt gut ist, sei mal dahin gestellt ; ).
noch mehr fakten
unser guide der sich während der fahrt vorstellt, erzählt uns ein bisschen etwas über den titicaca-see. die zwei zusammengesetzten worte titi und kaka bedeuten in der indigenen sprache aymara „große katze“ oder „puma“ sowie „grau“. schaut man sich den umriss des sees auf einer um 180 grad gedrehten karte an, erkennt man, wenn man gewillt ist, den umriss einer wildkatze. 55% des sees gehören zu peru, der kleinere teil zu bolivien. die tiefste stelle misst 284 meter. dass der see der höchste befahrbare see der welt ist, hatte ich schon erwähnt. für die inkas hat der see eine ganz besondere bedeutung. gemäß einer ihrer legenden stieg der gott virachocha aus seinen fluten, um die sonne, den mond, die sterne und ultimativ die ganze zivilisation der inka zu erschaffen. eine von mehreren varianten.
die schwimmenden inseln
nach ca. einer stunde fahrt erreichen wir ‚uros‘. das besondere an ‚uros‘: alles ist aus seegras. die vielen kleinen inseln selbst, die häuser, die boote. die bewohner haben sich das viele gras auf dem see zu eigen gemacht. die inseln, die sie bewohnen, sind künstlich und bestehen aus blöcken des totora-schilfs, die sie mit steinen am grund befestigen, damit sie nicht wegschwimmen. unser boot macht an einer der inseln fest, und wir betreten die weiche, mit getrocknetem schilf bedeckte oberfläche, die bei jedem schritt federnd nachgibt. ein komisches gefühl. in der mitte der insel sind zusammengerollte matten platziert, auf denen wir uns auf anweisung niederlassen. im hintergrund sehe ich schon aufgebaute stände mit handarbeiten und souvenirs. zuerst erzählt unser guide ein bisschen über die inseln. dass die locals, die einheimischen, vom fischen und jagen leben, aber vor allem vom tourismus. mir schießt sofort die frage in den kopf, was denn hier gejagt wird. ein paar sekunden später wird sie beantwortet. vögel. außerdem stellen die einheimischen aus dem gras allerlei souvenirs her. niedliche mobiles, kleine boote, etc. sogar essen kann man das seegras, was uns der chef der insel demonstriert. während der guide erzählt, schnabuliert er im hintergrund ein bis zwei seegras-stengel. nur der weisse teil ist essbar und schmeckt wohl nach banane. das hätte ich gerne mal probiert.
nicht uninteressant
dann spricht der chef der insel. acht familien mit insgesamt 25 personen leben hier. alle zwei wochen muss der boden der insel erneuert werden, da die strohige schicht von unten feucht und faulig wird. demonstrativ gräbt unser guide ein kleines loch und greift ein nasses bündel. früher war es sehr beschwerlich, das gras zu ernten. heute benutzen die bewohner lange sägen, um kleine blöcke aus den schwimmenden grasinseln heraus zu schneiden (auf einem der bilder im slider gibt es ein boot mit zwei männer zu sehen, auf dem blöcke platziert sind). die stromversorgung erfolgt über solarzellen, die auf den inseln installiert sind. die bewohner der vielen, kleinen inseln bekommen abwechselnd touristen-besuch. angeblich legt pro insel nur alle zwei wochen ein boot an. die kleinen kinder gehen auf eine eigene grundschule, wer studieren will, muss täglich nach puno fahren. während er erzählt, setzen sich zwei der frauen ins schilf und fangen an, bunte wandbehänge zu besticken. es ist definitiv interessant und der guide und er sind ein eingespieltes team und reißen das ein oder andere witzchen. aber am ende ist klar, worauf das ganze hinaus läuft. kaufen, kaufen, kaufen.
gefangen
der höhepunkt ist erreicht, als wir die hütten der familie anschauen dürfen. wir beide werden in die chef-hütte geführt. ich schaue mich ein bisschen um und registriere, dass es zwar eine art bett gibt und ein paar klamotten dekorativ herum hängen, alles andere was man zum leben braucht, entdecke ich aber nicht. eine kochecke, weitere kleider, hygiene-artikel, etc. und schon wieder werden wir gebeten platz zu nehmen. och nö, oder? als er zu reden anfängt, stößt noch ein italienisches ehepaaar zu uns. sehr gut. ob wir denn fragen hätten? ja, habe ich. wo denn gekocht wird, will ich wissen. der mann des italienischen paares übersetzt. man merkt, ‚el jefe‘ druckst ein bisschen herum und berichtet dann von einer gemeinschaftsküche. aha. dann erzählt er noch einmal, wie das hier läuft mit den touristen und präsentiert uns die zweifelsfrei schönen handarbeiten der familie. er bastelt die mobiles, seine frau bestickt die kissen und wandbehänge. aufs stichwort erscheint seine holde und drapiert sich mitten in die eingangstür. kein durchkommen mehr. flucht ausgeschlossen. ein paar lange minuten beginnen. und peinliches schweigen. ich schaue mir die bestickten stoffe an und bitte dann den italiener noch einmal zu übersetzen: dass wir die dinge wirklich zauberhaft finden, aber leider nichts kaufen können, da wir seit monaten mit rucksäcken unterwegs sind, die schon jetzt aus allen nähten platzen. dann drücke ich dem chef einen kleinen schein in die hand. quasi als spende. das sympathische paar kauft (aus verlegenheit) eines der schönen, aber mit sicherheit überteuerten, mobiles. als wir kurz danach draußen stehen beglückwünscht der italiener uns, dass wir so „hart“ geblieben sind. ihm fällt das immer so schwer. monatelange übung, erklären wir lachend, und geben ehrlicherweise zu, dass uns das auch nicht immer gelingt. er ist ganz begeistert und voller bewunderung, nachdem wir ihm auf nachfrage berichten, wo wir schon überall waren.
authentizität gesucht
eigentlich hätte ich mich gerne noch ein bisschen auf der insel umgekuckt, aber es bleibt keine zeit. die frauen der insel positionieren sich im halbkreis und geben eine kleine, nicht sehr ambitionierte gesangseinlage. ich will echt nicht böse klingen, aber die situation ist irgendwie grotesk. als wir brav applaudieren, kommen wir uns alle ziemlich blöd vor. anschließend werden wir auf die lustigen boote, ebenfalls aus schilf geschoben, und die damen singen „vamos a la playa“. puh! die fahrt auf dem grasboot kostet natürlich noch mal extra und den stop auf der gemeinschaftsinsel, auf der alle boote des tages landen, hätten wir uns sparen können. es gibt überteuerte getränke und wenig platz. alles in allem eine sehr fragwürdige veranstaltung und ich weiß immer noch nicht, was ich davon halten soll. ich glaube auch nicht, dass die familien tatsächlich vor ort leben…
hoch hinaus
zurück auf dem boot erwarten uns noch einmal zwei stunden fahrt. hoffen wir auf teil zwei des tages, die insel taquile. ich bin ein bisschen genervt und die fahrt macht mich müde. nichtsdestotrotz ist der see wirklich erstaunlich. schaut man aus dem fenster, hat man das gefühl, man fährt auf dem meer. bis zum horizont nur tiefblaues wasser. ankunft an der insel. der erste blick überzeugt. die sieht schön aus. erstaunt (und schlecht informiert) vernehmen wir, dass wir erst mal den berg hinauf steigen müssen. knapp über 500 treppenstufen. das sind weit mehr als die stufen in den 5. stock im hotel. okay! wir lassen uns zeit, genießen den idyllischen ausblick, schnaufen durch, gehen durch diverse steintore, sagen ein paar schafen hallo und erreichen dezent kurzatmig das dorf auf 3.966 metern höhe.
alles richtig gemacht
hier gefällts mir. alles wirkt authentisch und entspannt. die taquileños sind ein schlaues völkchen. einst von den spaniern erobert, kauften sich die bewohner 1937 die eigentumsrechte an der insel zurück. die von den spaniern eingeführte bauerntracht blieb als „indianische“ tracht erhalten. sie leben nach den aus der inka-zeit stammenden geboten „ama suwa, ama llulla, ama qilla“ (nicht stehlen, nicht lügen, nicht faul sein) und haben sich in einer genossenschaft organisiert. einnahmequellen sind die fischerei, die landwirtschaft, insbesondere der anbau von kartoffeln, und natürlich der tourismus. dieser allerdings basiert auf einer viel charmanteren art als zum beispiel auf uros. interessierte touristen können auf der insel bei einheimischen übernachten. bisher wurden alle bestrebungen, auf der insel hotels zu bauen, von den einheimischen erfolgreich verhindert. gute entscheidung!
die schöne seite des sees
angetan von dem 5,5 km langen und bis zu 1,6 km breiten eiland schlendern wir über die gepflasterten wege durch das lauschige dorf, lassen immer wieder den blick über die insel schweifen, lokalisieren die terrassen in den hängen für den gemüseanbau, begegnen noch mehr grasenden schafen und erreichen ziemlich als letzte das haus, in dem wir zu mittag essen. es ist unfassbar ruhig hier. keine autos, keine hunde (was wir natürlich schade finden) und keine horden von touristen. an zwei langen, gedeckten tafeln nehmen wir auf der terrasse platz. da ist es allerdings vorbei mit der ruhe denn unser freund aus dem hotel betätigt sich mit mitgebrachter box als dj. kann man machen, müsste man aber nicht. am tisch neben uns sitzt ein sympathisches paar aus deutschland sowie ein nettes katalanisches paar, wovon er ebenfalls deutsch spricht, da sein vater deutscher ist. die einheimischen servieren uns, je nach gusto, trucha (forelle), tortilla, reis und papa fritas also pommes. wir wählen den mixto-teller, also alles. und es schmeckt richtig gut. während des essens unterhalten wir uns lustig und angeregt. natürlich wie immer über das reisen: wer schon wo in peru war. was das auf uros war. höhenkrankheit ja oder nein. und wie das mit machu picchu so läuft.
„sprechende“ mützen
zum nachtisch füttert uns unser guide mit weiteren informationen zu den taquileños. früher durften die inselbewohner nur untereinander heiraten. je nach familienstand tragen die männer unterschiedliche mützen. die weißen sind für die singles, die farbigen für die verheirateten. das läuft ähnlich wie früher im schwarzwald mit dem bollenhut. witwer erhalten nach einem jahr trauer ebenfalls wieder die single-mütze. verlieben sich zwei der bewohner, führen sie mehr oder weniger erst mal eine ehe auf probe. wenns gut läuft, wird nach zwei jahren geheiratet. scheidungen gibt es eigentlich nicht. sollte es dennoch schief gehen und die eltern sich irgendwann trennen, ist klar geregelt, dass die weiblichen kinder zur mutter gehen, die jungen zum vater (wenn sie älter als sechs jahre sind).
noch mehr traditionen
den verdauungsspaziergang machen wir zum dorfplatz, wo wir, völlig unaufdringlich, in einem großen verkaufsraum ein paar wenige „strickende männer“ antreffen. auch dafür ist taquile bekannt: für die handgemachte textilkunst, die zu der hochwertigsten in ganz peru zählen soll und die seit 2008 in die repräsentative liste des immateriellen kulturerbes der menschheit übernommen wurde. von klein auf lernen mädchen wie jungen die herstellung der charakteristischen kleidungsstücke wie zum beispiel die sogenannte chullo, die berühmte strickmütze mit ohrenklappen, sowie die handhabung der pre-hispanischen vierfußwebstühle. so bleibt die tradition des strickens und webens bewahrt, wenn auch ab und an neue zeitgenössische symbole und bilder eingeführt werden.
offen bleiben mit blick in die zukunft
unten auf einer wiese beobachten wir ein paar kinder, die unbeschwert ihre drachen steigen lassen. ich mag das dorf und seine bewohner, die sich ihre unabhängigkeit bewahren wollen. hoffentlich ermöglichen sie ihren kindern, sofern diese das wollen, dennoch ein leben zwischen tradition und modernität.
adiós taquile!
zurück in den schmalen, friedlichen gassen atmen wir den geruch von eukalyptus, grüßen freundlich in ein paar der mini-läden entlang der strässchen, bestaunen den kleinfeld-fußballplatz mit kunstrasen, bemerken den kleinen zugewucherten friedhof, sagen den schafen auf wiedersehen und steigen die 500 steinernen stufen wieder hinab. der besuch auf taquile war nicht besonders aufregend, aber dennoch bezaubernd. danke taquile, du hast mir den tag gerettet.