knock out! da wir jeden tag viele kilometer zu fuss zurückgelegt haben, bin ich irgendwie durch. rien ne va plus. nichts geht mehr. alles tut weh und meine knochen sind müde. so viel bewegung ist mein körper nicht gewohnt. alle muskeln schreien nach schlaf und erholung. deshalb wird zwischendurch mal wieder ausgeschlafen und wir wollen dezentere ausflüge machen. das klappt super (achtung sarkasmus!).
einer der tage beginnt sanft, mit kinakuji, dem goldenen pavillon. eine der berühmtesten sehenswürdigkeiten japans. und natürlich machen wir wieder alles falsch. es ist wochenende, mitten am tag und wir kommen gefühlt zusammen mit allen einwohnern deutschlands, italiens und allen japanischen „ausländern“ beim tempel an. dementsprechend werden die besucher von freundlichen rentnern durch die anlage geschleust. „bitte hier nur fotos machen und weitergehen. bitte gehen sie weiter! nur fotos. bitte weitergehen“. und die menschenmasse bewegt sich entlang der vorgegebenen wege durch die anlage.
spieglein, spieglein
und irgendwie verteilt es sich dann doch und der anblick und das schöne wetter lassen einen fast die vielen menschen vergessen. der pavillon war einst der ruhesitz eines shoguns. sein sohn verwandelte das haus später in einen tempel. ein besessener mönch brannte den tempel in den 50er jahren nieder und er wurde daraufhin originalgetreu wieder aufgebaut. nur mit noch mehr blattgold als vorher. unglaublich, wie er gülden in der sonne glitzert. zusammen mit den bäumen, die ihn umgeben spiegelt er sich, vielleicht sogar ein bisschen selbstverliebt, im davor liegenden see. umgeben von dem wunderschön angelegten garten, der liebevoll gestalteten anlage mit dem kleinen wasserfall, den selbstgebauten zäunen aus bambus und sisal und den kleinen heiligen stätten, in die man münzen werfen kann, um mit noch mehr glück gesegnet zu werden. in dem kleinen shop am ende kann sich, wer mag, noch in kalligraphie üben, eine kleine holztafel mit wünschen beschriften oder eine kerze mit gebet anzünden. hungrig verlassen wir das gelände und machen uns auf die suche nach essbarem. vegetarier mögen diesen absatz bitte überspringen, aber vom fleisch im schaufenster angezogen landen wir in einem leckeren ramen-restaurant mit noch besserem schweinebraten, der in dünnen scheiben unsere suppe krönt. köstlich!
der berg ruft
kurz später stellt sich heraus, dass die stärkung genau richtig kam. wir wussten zwar, dass man beim fushimi inari-taisha, den bekannten roten toren, ein bisschen laufen muss, dass wir am ende den ganzen berg bis zur spitze raufgehen, dass war uns nicht so bewusst. von wegen weniger kilometer zurücklegen.
die tore (torii), die mal mehr rot, mal orange erscheinen, winden sich entlang des pilgerweges auf den gipfel des inari-berges (233 m). es handelt sich bei den schreintoren um opfergaben von gläubigen. meist werden sie von firmen gespendet, die sich von der gottheit inari hilfe beim geschäftlichen erfolg versprechen. hinter inari stecken angeblich insgesamt drei gottheiten, unter anderem wohl auch die weibliche nahrungsgottheit. deshalb wird inari oft als reisgottheit charakterisiert. die preise staffeln sich je nach größe des tores. ein kleines kostet umgerechnet ca. 1 350 euro, das größte liegt bei knapp 10 000 euro. auf einigen bildern kann man die größenunterschiede ganz gut sehen.
toooooor(e)
also schieben wir uns auch hier mit der masse durch die roten tore den berg hinauf. ehrlicherweise anfangs kein großer spaß. die wege sind nicht besonders breit und man wird oft blockiert, würde gerne schneller gehen. uns dämmert aber schon am anfang, dass die meisten wohl nach kurzer zeit „aufgeben“, und nach oben hin bestimmt weniger los ist. vielleicht lässt sich dann ein foto der tore ohne menschen schießen? die treppenstufen, die man teilweise erklimmen muss, werden gefühlt immer höher. auch ich merke, wie meine beine wieder müde werden. aber jetzt sind wir schon so weit gekommen. umkehren kommt irgendwie nicht in frage. jetzt wollen wir beide da hoch. die waldluft wird frischer und die sonne wirft ein friedliches licht auf die zwischenschreine mit ihren fuchswächtern und steinaltären, auf denen viele kleine miniatur-torschreine abgelegt sind. und tatsächlich wird es immer ruhiger. auf dem gipfel angekommen werfe ich geld in den behälter vor dem tempel, läute die glocke und klatsche und verbeuge mich. danke, dass ich hier sein darf.
tiere aus stein und tiere mit pein
die kleinen verschachtelten wege erkundend, treffen wir auch hier wieder auf fuchsstatuen und viele, teilweise gestapelte kleine tore. die roten lätzchen um die hälse der füchse sollen besonders wirksam zur abwehr böser dämonen geeignet sein. gut so, denn die sonne geht unter und die stimmung auf dem berg wird immer mystischer. auf den treppen nach unten beschließen wir, auf die dunkelheit zu warten und lassen uns auf einer kleinen steinmauer nieder, als wir hinter uns ein komisches maunzen vernehmen. eine rote tigerkatze stimmt ein unsagbar klägliches katzengejammer an und bekommt plötzlich irgendwo aus dem dickicht antwort. die zwei steigern sich da ganz schön rein und alle pilger, die vorbei kommen wundern sich über die schrägen töne. die tierchen scheinen wie eingefroren, bewegen sich nicht, aber klagen abwechselnd ihr großes leid.
die nacht bricht herein und wir erleben den rückweg in einem ganz anderen licht. der mond und die dezente beleuchtung werfen abstrakte schatten zwischen die tore. teilweise im dunkel ertasten wir uns den weg. sind hier stufen oder nicht? nur wenige menschen sind noch mit uns unterwegs. dunkel und geheimnisvoll umhüllt der wald die pfade. auf einem kleinen plateau bietet sich ein blick über die stadt. sie gibt sich sympathisch bodenständig.
nicht zur fahndung ausgeschrieben
entgegen der guten vorsätze haben wir nun doch wieder einige kilometer zurückgelegt. müde sitzen wir in der bahn, bis wir unsere station erreicht haben. üblicherweise zeigen wir am bahnhof an einem besetzten schalter unseren railpass und dürfen passieren. da wir an diesem abend spät dran sind, ist der schalter nicht mehr besetzt und die schranke geschlossen. der versuch, den pass irgendwie zu scannen, scheitert. kurz bevor ich genervt über die schranke springen möchte, und im geiste am nächsten tag schon überall mein fahnungsfoto hängen sehe, kommt uns ein freundlicher japaner zu hilfe. er drückt den hilfe-knopf und eine stimme ertönt. dann muss der pass vor eine kamera gehalten werden und die freundliche person hinter dem knopf öffnet die schranke. puh, das war knapp. ich hatte mir schon überlegt, am nächsten tag mit mundschutz und mütze loszuziehen, damit mich niemand als die gesuchte erkennt. vielleicht ist das tatsächlich der grund, dass so viele japaner mundschutz und komische hüte tragen? hm…
der schrei
an einem der dezenteren tage sind wir abends faul und wollen das hotel-restaurant gleich neben unserem apartment ausprobieren. es sieht ziemlich schickimicki aus und im internet gibt es nur wenige, aber gute bewertungen sowie die warnung, dass niemand englisch spricht. egal, wir gehen das risiko ein. vor dem eingang hängt eine karte und die preise sind okay. also gehen wir rein. da geht’s schon los. im eingangsbereich liegen sisalmatten und es steht ein paar „hausschuhe“ bereit. hm? was heißt das jetzt? müssen wir die schuhe ausziehen? aber müssten dann hier nicht irgendwo straßenschuhe rumstehen? um an die rezeption zu kommen, muss man ein stück weit hinein um die ecke. da stehen auch zwei menschen sehen wir durch eine glasscheibe, aber die kommen uns nicht entgegen. also laufen wir in schuhen hinein… kennt ihr das gemälde „der schrei“ von edvard munch (bitte anklicken, verlinkt)? genau so, ich schwöre, hat die frau an der rezeption gekuckt, als wir in straßenschuhen um die ecke kamen. und dazu haben sie und ihr kollege synchron geschrieen: „no shoes!!!“. mit einer verzweiflung in der stimme, unfassbar. wir beide, wie die rehe im scheinwerferlicht, halten erst kurz inne und spurten dann um die ecke nach draußen, verfolgt von frau schrei-munch die wild mit dem feudel wedelt und sofort unsere spuren verwischt. und da war nichts, ehrlich. mit vorwurfsvollen blicken drücken sie uns zwei schlüssel für schuhfächer in die hand. jedes paar in ein fach und abschließen. dann dürfen wir in den zweiten stock ins restaurant.
falsche wahl
im restaurant bestellen wir das essen nach bildern. als mein süppchen kommt, weiß ich nicht so recht was ich machen soll. es ist ein steingut-topf auf einem gaskocher und das fleisch (wieder so fettig! *heul) liegt roh obenauf. die freundliche bedienung sieht meine ratlosigkeit und versucht mir mit gesten zu erklären, was ich tun muss. gas an, immer mal wieder durchrühren und das fleisch oben drauf ausbreiten, damit es gar wird. das gemüse kocht sich dann auch. es schmeckt am ende ganz gut. ein bisschen langweilig vielleicht und das fleisch ist wie gesagt ziemlich fettig. stefan dagegen bekommt ein tablett mit ganz vielen kleinen schüsselchen und leckeren sachen. aus mitleid und weil er mein trauriges gesicht nicht ertragen kann, will er teilen. aber hey, ich bin selbst schuld. hätte ich was anderes bestellt. beim nächsten mal läufts wieder besser.
der japaner an sich
beim rausgehen entdecken wir noch eine typische japanische einrichtung. den regenschirm-safe. ist das zu fassen? du kannst deinen schirm parken und abschließen. mit rein darf der natürlich nicht. er könnte ja tropfen. aber der japaner an sich ist ein regenschirm-dieb. beglaubigt. regenschirme werden während der regenzeit als allgemeingut angesehen. steht der japaner an der tür und draußen nieselt es, wird er sich, ohne schlechtes gewisssen, den nächstbesten schirm packen. deshalb die safes. japan!
bambis
ein riesiger buddha und zahme rehe locken uns nach nara. als halb-tagesausflug von kyoto aus. nach diversen startschwierigkeiten, ein aufstehversuch um 7.30 uhr (kreislauf), ein weiterer um 9.30 uhr (ne, immer noch nicht) und der letzte dann gegen 12 uhr (upsi) kommen wir relativ spät in dem entspannten örtchen (360 000 einwohner) an. ein bisschen zu relaxt schlendern wir an den zahlreichen souvenirläden richtung park und freuen uns wie kleine kinder, als wir die ersten rehe sehen. sie sind wirklich zahm, stehen überall zwischen den menschen, laufen bei grün über die fußgängerampel, als wäre es völlig selbstverständlich und sobald es raschelt, stehen sie wunderfitzig (badisch für neugierig) mit ihren großen, braunen augen vor dir und schauen dich unschuldig an. fresschen? durch die putzigen tiere haben wir etwas die zeit vergessen und kriegen grade noch tickets, für das eigentliche ziel: todai-ji. am ende stellt sich heraus, dass das späte lösen der tickets ein glücklicher umstand war. wir sind die letzten, die eingelassen werden in das größte, rein aus holz errichtete gebäude der welt, die daibutsu-den. schon allein die halle und dessen architektur ist faszinierend. unten lasse ich bilder sprechen. nur soviel: sie ist knapp 50 meter hoch, 57 meter lang und das dach trägt über 112 000 ziegel.
geniale reise-momente
kurz nachdem wir die schwelle in das riesige holzkunstwerk übertreten haben, werden hinter uns knarzend die wuchtigen holztore mit metallbeschlägen geschlossen. hierbei wird das licht auf natürliche weise gedimmt. und dann kommt dieser moment, in dem man nach oben blickt und wow! der daibutsu, der große buddha, heißt dich willkommen. seine händen signalisieren ‚willkommen, fürchte dich nicht‘ und fast schon ehrfürchtig wagt man sich ein paar schritte nach vorne, um der eindrucksvollen bronzefigur näher zu kommen. bei 15 meter höher und 500 tonnen gewicht ist es schwer, nicht beeindruckt zu sein. großartig! die konstruktion der halle, der mächtige buddha, ich bin begeistert. ich drehe mich um, da der wachmann wartend hinter uns steht, aber er wirkt völlig entspannt und lächelt mich an. meine euphorie steht mir wohl ins gesicht geschrieben. er zeigt auf den gong, der an einer der säulen hängt und nickt mir aufmunternd zu, diesen zu schlagen. etwas zu vorsichtig entlocke ich ihm einen kurz anhaltenden ton. verlegen grinse ich den wachmann an. oh mann, ist das schön hier. unter anderem auch deshalb, weil wir so gut wie alleine sind. die atmosphäre ist besonders. da ich mich zu lange beim großen buddha aufgehalten habe, ist für den rest leider nicht mehr viel zeit. wir möchten die geduld des wachmanns auch nicht zu lange strapazieren. den buddha zur linken des großen daibutsu schaue ich mir noch kurz an, den an der rechten seite nur noch im vorbei gehen. ebenso die beiden wächter.
eingeklemmt im nasenloch
im hinteren bereich des tempels wird es noch mal richtig lustig. eine der großen säulen hat einen 50 cm großen durchbruch in bodenhöhe, angeblich die größe eines nasenloches des daibutsu. die legende besagt, dass derjenige, der durch das loch hindurch kriechen kann, in seinem nächsten leben mit der erleuchtung gesegnet wird. die kleine gruppe vor uns probiert das aus. sie lachen und johlen und ein paar der frauen sind schmal und schaffen es tatsächlich. an einer weiteren wird gezogen und gezerrt, aber es geht nicht. sie gibt auf. stefan kuckt mich an: „na los. das schaffst du!“ also lege ich mich hin, strecke die arme über den kopf und zwänge mich in den durchbruch. am ende zieht stefan noch ein bisschen an der anderen seite, denn zwischendurch droht man stecken zu bleiben. geschafft! ächzend und knarrend schließt sich anschließend das letzte hölzerne tor, als wir die schwelle des ausgangs übertreten haben.
auf dem rückweg verteilen wir noch ein paar reh-kekse an die eher schüchternen exemplare im park. die tierchen sehen grade etwas wild und struppig aus, da sie ihr winterfell verlieren, sind aber dennoch zauberhaft. was ein spaß und was für ein toller nachmittag. müde aber froh machen wir uns auf den heimweg. was haben wir doch für ein glück!