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japan ׀ hiroshima und miyajima – herzliche menschen mit trauriger vergangenheit

4. April 2018

blauer himmel und sonnenschein empfangen uns, als wir mit dem shinkansen in den bahnhof von hiroshima einfahren. wie muss es damals für die bewohner gewesen sein, als sich am morgen des 6. august 1945 von einer minute auf die nächste alles änderte? die stadt hiroshima war während des krieges ein stück weit verschont geblieben, soweit man das sagen kann. bis zu diesem tag…

megafreundliche einwohner

unser hotel ist etwas weiter entfernt vom bahnhof, also nehmen wir die straßenbahn. mit unseren riesigen backpacks und den zwei kleinen rucksäcken, die wir vorne tragen sind wir ziemlich unförmig und oft etwas grobmotorisch unterwegs. in der alten straßenbahn stoßen wir an allen ecken und enden an und stefan bleibt dazu noch in den handschlaufen an der decke hängen. das rentnerpaar, dass uns gegenüber sitzt amüsiert sich köstlich, bis wir endlich eine sichere steh-position gefunden haben. freundlich und aufgeschlossen lächeln wir uns an! als wir kurz darauf, rumpel die pumpel, wieder aussteigen, winken sie uns von innen zum abschied fröhlich zu. voll schön, so nett in einer stadt empfangen zu werden.

aber damit noch nicht genug. mit dem smartphone in der hand und dumm aus der wäsche kuckend (wo geht’s denn jetzt lang?) am zebrastreifen stehend, kommt uns, gut gelaunt, eine frau entgegen. als hätte sie auf uns gewartet, fragt sie, wo wir denn hinwollen. ah, das hotel kennt sie, sagt sie, und macht sich plaudernd mit uns zusammen auf den weg. sie spricht toll englisch, fragt uns wo wir herkommen und klärt uns auf, dass wir hier mitten im vergnügungs- und barviertel wohnen. als wir das hotel von weitem sehen verabschiedet sie sich, uns eine schöne zeit wünschend, wieder in die andere richtung. okay, bewohner hiroshimas, ihr seid cool unterwegs.

lachen bringt die menschen zusammen

und heiter geht es weiter. immer noch mit den fetten rucksäcken bepackt, wackeln wir zur rezeption, um einzuchecken. fataler fehler: ich nehme meinen kleinen rucksack vorne ab, stelle ihn auf den boden und gehe in die knie, um meinen pass rauszuholen. nur leider komme ich nicht mehr hoch. ich stecke da unten fest. mein rucksack auf dem rücken ist so schwer und da wir schon ein weilchen gelaufen sind: ich habe keine kraft mehr mich hochzudrücken. und was passiert? ich sitze da unten in der hocke und kriege voll den lachanfall. stefan schaut mich erst mal schief und fragend an, bis ich ihm unter lachtränen mitteilen kann: „sch…, ich komm nicht mehr hoch!“ während ich das sage, höre ich es von unten hinter der rezeption lustig glucksen. stefan zieht meinen rucksack nach oben und ich hänge quasi mit dran. immer noch laut kichernd und mit tränen in den augen stelle ich fest, dass ich die mitarbeiterin hinter der rezeption mit meiner aktion und meinem lachen voll angesteckt habe. sie hält sich die hand vor den mund und kriegt sich nicht mehr ein. ihr kollege und stefan schauen sich nur wundernd an: frauen. es dauert einen moment, bis wir uns endlich wieder fassen…

okonomiyaki hiroshima-style

zur nahrungssuche bedienen wir uns mal wieder der karte von googlemaps. eine glückliche fügung lässt uns in einem okonomiyaki-lokal landen. schon der reiseführer hatte mir offenbart, dass die pfannkuchenart auch in hiroshima zur spezialität gehört. der hiroshima-style ist allerdings mit zusätzlich nudeln. man empfängt uns auch hier herzlich und bittet uns an der theke platz zu nehmen. es gibt auch eine englische karte aber wir blickens nicht wirklich und bestellen erst mal eine portion tonpeiyaki. eigentlich das falsche, denn kein okonomiyaki wie sich herausstellt, aber auch unfassbar lecker. bestehend aus allem, was wir beide sehr mögen: ei, speck, frühlingszwiebeln. der speck ist zwar hier auch sehr fettig, wird aber so lange auf der heißen platte gebraten, bis er total knusprig ist. und es schmeckt so lecker! die beiden mädels neben uns lassen es sich auch gutgehen. als ihr kohlpfannkuchen kommt klatschen sie euphorisch in die hände und sie strahlen uns an. ihr englisch ist eher dürftig aber wir haben hier die gleiche leidenschaft. das essen ; ) von der portion, die wir uns geteilt haben, werden wir nicht satt. und so bestellen wir doch noch einmal die hiroshima-spezialität mit nudeln.

essen verbindet

die zubereitung des pfannkuchens dauert in der regel 20 – 30 minuten. das nimmt man gerne in kauf. wobei der laden immer voll wird und sich draußen schon eine lange warteschlange bildet. neidische blicke wandern von draußen nach drinnen. und endlich, wird das krasse teil vor uns auf der platte serviert. voller vorfreude fangen wir an, das ding zu zerlegen. der koch kommt uns zur hilfe, macht uns mit seinem spatel kleine häppchen, füllt unser wasser noch mal auf und schaut uns erwartungsfroh an. mhmmmm! ist das geil. der unterschied zum „normalen“ okonomiyaki ist, dass hier außer dem teig, dem kohl und dem speck noch nudeln und ein spiegelei dazu kommen. das ganze wird dann wieder mit zähflüssiger sojasauce eingepinselt, oben ein paar getrockene kräuter drauf und fertig! zufrieden grinsend über unsere gesichtsausdrücke und gesten macht sich der koch wieder ans werk. wir fühlen uns hier in hiroshima richtig willkommen. schöner kann es nicht sein. als wir später ins hotel zurückkommen, kichert die dame an der rezeption gleich wieder als sie mich sieht und ich winke ihr ebenso kichernd zu.

historische ereignisse

am nächsten tag tauchen wir ein in das traurige schicksal der stadt. das wetter ist toll, die temperaturen sind angenehm und die kirschbäume stehen in prachtvoller blüte. am flussufer des motoyasugawa haben es sich die menschen mit decken unter den blühenden schattenspendern bequem gemacht, und genießen gutgelaunt ihr mitgebrachtes picknick. auch wir setzen uns zuerst ein weilchen an den fluss, essen eine kleinigkeit und lassen die friedliche szenerie auf uns wirken.

auf der anderen seite der brücke beginnt der friedenspark. ein großes, grünes gelände mit vielen kirschbäumen, spazierwegen und bänken sowie verschiedenen denkmälern, die an den ersten atombomben-abwurf, während eines krieges, über hiroshima erinnern sollen. auch hier sitzen die menschen entspannt auf den grünflächen und lassen sich ihr mahl munden. ich weiß nicht wie es euch geht, aber an solch geschichtsträchtigen orten habe ich immer ein mulmiges gefühl im bauch. umso schöner, dass die einwohner diesen ort nicht als schreckensort empfinden, sondern als wichtiges mahnmal, das nicht vergessen lässt. dennoch integrieren sie den park entspannt in ihr leben.

origami-kraniche

auf den bildern im slider seht ihr ein denkmal mit einem mädchen und einem kranich. das kinderdenkmal ist sadako sasaki gewidmet. sadako war beim atombombenabwurf zweieinhalb jahre alt. mit 12 jahren erkrankte sie an leukämie. in japan herrscht der glaube, dass einem, wenn man 1000 origami-kraniche faltet, ein wunsch erfüllt wird. an diese hoffnung, diesen wunsch, klammerte sich sadako, sie wollte unbedingt gesund werden. also faltete sie aus allen papierchen die sie fand, über 1300 kraniche. aber sie wurde immer schwächer. nach acht monaten kampf gegen ihre krankheit starb sie.

durch das falten der kraniche wurde sie zu einer der bekanntesten hibakushas japans. der begriff bezeichnet die überlebenden der atombombenabwürfe auf hiroshima und nagasaki. das kinderdenkmal wird jedes jahr von hunderten von kindern besucht, die papier-kraniche und ketten sowie ganze, gestaltete bilder aus gefaltetem papier an der statue ablegen, um damit ein zeichen für den wunsch nach frieden in der welt zu setzen. die stadt hiroshima bittet alle darum, eine notiz zu hinterlassen, von wem die kraniche stammen, wieviele es sind etc. um die gaben und wünsche dokumentieren zu können und um sich zu bedanken. im friedensmuseum gibt es bilder von sadako und einige ihrer original-kraniche zu sehen. eine sehr berührende geschichte…

der kenotaph (ein scheingrab bzw. ehrenzeichen für die toten) enthält die namen aller bekannten opfer der atombombe. das beton-monument ist so platziert, dass man, wenn man hindurch blickt, direkt auf die flamme des friedens und den atombombendom auf der anderen flussseite blickt. die flamme des friedens soll solange brennen, bis alle nuklearwaffen der welt zerstört sind. der atombombendom ist das markanteste mahnmal des angriffs auf hiroshima. das gebäude diente als sitz der industrie- und handelskammer und ist eines der wenigen gebäude im epi-zentrum, von denen noch etwas übrig blieb. nach dem krieg wurde beschlossen, die hülle als gedenkstätte zu erhalten. an der seite des gebäudes steht eine wendeltreppe aus eisen, die sich in der hitze verformt hat. unfassbar, welche temperaturen geherrscht haben müssen…

friedensmuseum

das große gebäude des friedensmuseum wird aktuell renoviert und ist geschlossen. deshalb wurde es nachmittags im ostgebäude ziemlich eng und voll. wir haben nicht alle schau- und informationstafeln gelesen. das eindrücklichste waren für mich die videos der überlebenden. die männer und frauen berichten, wie sie den morgen des atombombenabwurfs erlebt haben. wo sie waren, was ihnen und ihren familien, ihren kleinen babys geschah, wie sie reagierten als sie halbwegs realisierten, was geschehen war. eine frau berichtet, dass sie dachte welch ’schöner‘ lichtblitz – der dann alles veränderte. eine andere zeitzeugin erzählt von ihren wunden und verbrennungen und wie sie die münder öffneten, als es plötzlich regnete. man versprach sich linderung von dem wasser, das vom himmel fiel, nichts ahnend, dass es total verseucht war. der versuch sich gegenseitig zu helfen, obwohl man selbst verbrennungen hatte und sich kaum auf den beinen halten konnte.

ein mann berichtet darüber, dass er überlegt habe fotos zu machen, von den toten und dem leid überall, es aber nicht übers herz brachte. so gut nachvollziehbar. und doch sind es immer die fotos, die sich ins gedächtnis einbrennen. die solche ereignisse niemals vergessen lassen. jeder, der solche befehle gibt, solche entscheidungen trifft, sollte sich jeden abend die fotos ansehen müssen. fotos von toten, unschuldigen menschen mit verbrennungen, toten kleinen kindern und in asche gelegten städten. ganz abgesehen davon, wie viele menschen noch an den spätfolgen gestorben sind. wie kann man mit solchen entscheidungen leben? oder gar niemals reue empfinden?

zurück im tageslicht wirkt alles noch nach. aber das lachen der kinder, das gemurmel der menschen und die aktivität im park holen uns wieder ins hier und jetzt. es ist ein schöner tag und wir bummeln weiter durch den friedenspark und schauen uns die anderen denkmäler an. vergessen werden wir die eindrücke nicht. wir läuten die friedensglocke, tatsächlich in der hoffnung, dass sich dieser wunsch schnellstmöglich erfüllt.

geht so-momente

natürlich gibt es auch so yoah-momente während unserer reise. nur weil der itsukushima-jinja schrein und das dazugehörige torii im wasser eine der meistbesuchten touristen-attraktionen ist, muss es uns ja nicht gefallen. geht nämlich so. allerdings haben wir uns den schrein selbst auch nicht angeschaut. zu viele menschen. ein reisender hat auf instagram ein tolles bild des tores im sonnenuntergang gepostet. mit reh davor. das sieht super aus! aber für uns war es keines unserer highlights.

romantik pur

an der fünfstöckigen pagode tahoto vorbei flanierend folgen wir den romantisch von kirschbäumen und rehen gesäumten sträßchen richtung daisho-in tempel, der sich liebevoll in die natur des berges misen schmiegt. der tempel ist einer der bekanntesten shingon tempel im westen japans. die shingon-schule steht mehr oder weniger für esoterischen buddhismus und lehrt, dass menschen durch rituale, die physische und mentale disziplinen kombinieren, die erleuchtung erlangen können.

gesichter lesen

der tempel ist insgesamt sehr ungewöhnlich. es gibt unfassbar viel zu entdecken und zu sehen. schon das tor am eingang ist mit seinen schnitzereien sehr beeindruckend. ich steige allerdings nicht gleich die weiterführenden stufen hoch, sondern lassen mich von ein paar um die ecke schauenden kleinen buddhas ablenken. dem kleinen pfad folgend entdecke ich 500 kleine, steinerne buddha-figuren, die alle gehäkelte mützchen tragen. nicht nur die masse erstaunt, sondern vor allem die gesichtsausdrücke der niedlichen figuren, die alle unterschiedlich sind. man kann verschiedene emotionen und vielleicht sogar eigenschaften in ihren gesichtern lesen: weisheit, schmerz, glück, erfüllung, frustration, stolz… zauberhaft und sehr cool.

die mühlen mit den japanischen schriftzeichen drehend lande ich im innenhof des tempels, wo, auch sehr ungewöhnlich, ein kleiner flohmarkt stattfindet. auch das erste gebäude, welches wir betreten, versetzt uns in erstaunen. was es hier alles zu sehen gibt. eine hina-puppen-ausstellung (kleine meisterwerke der japanischen puppen-kunst inklusive gimmicks ähnlich wie in puppenhäusern), viele diverse buddhas aus verschiedenen materialien, dazwischen ein weißer, großer elefant aus porzellan, diverse gemälde. in einer anderen ecke stehen bilder des dalai-lama sowie noch eine buddha-figur und noch mehr andere figürchen. ein bissel hoxi-boxi das ganze. am schönsten ist fast die decke mit den gemälden in den einzelnen kassetten. überhaupt scheint der daisho-in der tempel der wiederholungen zu sein. von allem gibt es viel ; ) und lustiges. einige der buddhas scheinen große fans von ananas zu sein, weil viele opfer in form von ananas in dosen gespendet wurden.

über dem gelände schwebt die stimme eines mönches der rezitiert und dazu verschiedene instrumente spielt. wir überlegen erst, ob es vom band kommt, da es überall zu hören ist, bis wir den tempel finden, wo der mönch live und über ein mikrofon betet. auch hier werden wir überrascht, wie laut, kraftvoll und intensiv der mönch zwischendurch die trommel schlägt und dazu singend rezitiert. fast schon eindringlich, als dulde es keinen widerspruch. das habe ich so noch nie gehört.

pilgern für faule?

weiter oben auf dem hügel finden wir eine art höhle, in der sich die abbildungen der buddhistischen ikonen der 88 tempel des berühmten pilgerweges auf shikoku befinden. der eigentliche pilgerweg ist 1200 kilometer lang und man benötigt ca. 6 wochen, um den weg zu laufen. manche gläubige denken, dass sie hier die selben segnungen erhalten wie die menschen, die zu allen tempeln der route pilgern. hm? pilgern für faule? für gehbehinderte menschen ist es auf jeden fall eine tolle alternative.

der daisho-in ist ein tempel der überraschungen und grenzenlosen eindrücke. wir halten uns ein weilchen auf und haben am ende dennoch nicht alles gesehen. aber spannender als das tor ist der tempel allemal. finden wir. ist ja immer geschmackssache : )

immer wieder verliebt in bambi

draußen schließen wir noch freundschaft mit einem der süßen rehe, die auch hier ziemlich zahm und an die menschen gewöhnt sind. unten hat die ebbe das torii im meer inzwischen freigelegt und es wird von den menschen hautnah erobert. wir machen uns auf den weg zurück zur fähre, um dann mit dem zug wieder nach hiroshima zu fahren.

ein besuch hiroshimas gehört sicher dazu, wenn man sich länger in japan aufhält. und es ist die reise auf jeden fall wert. natürlich um die ereignisse zu bewahren, aber vor allem auch wegen der megafreundlichen, aufgeschlossenen einwohner, der entspannten atmosphäre und okonomiyaki im hiroshima-style.
 
 

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  1. Hallo ihr zwei Weltenbummler. Ja Christine,lachen steckt wirklich an. Hab mich eben auch gekringelt bei deiner Rucksackgeschichte. Euch Beiden weiterhin alles Gute,noch viele schöne Erlebnisse.l.G I.u.W

    1. danke, liebe inge! ich kann dein fröhliches lachen quasi hören : ) hoffentlich können
      wir auch weiterhin viel lustiges berichten…
      liebe grüße nach biberach an die ganze familie!

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