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ecuador ׀ alausi ׀ mit dem zug auf einen tanz an der teufelsnase

12. August 2018

im ersten moment denkt man, alausi wäre ein verschlafenes, kleines städtchen. klein vielleicht, aber verschlafen keineswegs. und obwohl wir keinen guten start haben, unser erster besuch hier gilt der polizei, schließen wir den kleinen ort in unser herz. denn nur weil es ein paar idioten im land gibt, ist nicht alles schlecht. die wenige zeit die wir hier verbringen, sitzen wir im zug und am marktplatz. tagsüber wuselt es in den straßen, und wir genießen es teil des ganzen zu sein und die menschen und das kleinstadtleben in ihrem alltag zu beobachten.

in freudiger erwartung was noch kommt

quito hat uns schon ausgesprochen gut gefallen und wir sind gespannt, was noch kommt.
die reise geht weiter und unser nächstes ziel hat den lustigen namen alausi. vom taxi aus werfen wir noch mal einen letzten blick auf die faszinierende stadt, die zwischen und auf den hügeln der voranden beheimatet ist, bewundern ein paar riesige graffiti und sind bei der ankunft erstaunt, über den krass großen, gut organisierten busbahnhof. unmengen von schaltern, beschriftet mit den verschiedenen reisezielen, machen die orientierung leicht. hinter der scheibe mit der aufschrift alausi sitzt eine frau, die sich gerade eine rundbürste durch die haare zieht, zwischen ihren lippen steckt eine haarklammer. ihr blick scheint zu sagen: ganz schlechter zeitpunkt. also warten wir geduldig bis die locke sitzt und fixiert ist, und bestellen dann freundlich lächelnd unser ticket. die fahrkarten sind günstig. für die sechsstündige fahrt zahlen wir direkt am schalter 7 dollar. über das internet hätte die buchung 19 dollar gekostet.

glück gehabt

auf dem weg zum bus nehmen wir erfreut zur kenntnis, wer sich zum abschied doch noch blicken lässt. hinter den grünen hügeln strahlt in prachtvollem weiß der cotopaxi. wenn wir schon nicht hoch konnten, haben wir ihn so wenigstens mal live gesehen. schöne sache das. an der angegebenen haltestelle steht schon ein bus. aber wir haben schon in asien gelernt, immer fünf mal fragen, wo der bus genau hinfährt. die helfer, die das gepäck einladen sind schnell dabei, dein gepäck in den bus zu hieven und am ende ist es doch der falsche.

personal assistant

erst mal steige ich allein in den richtigen bus, stefan bleibt noch kurz draußen. als ich mich, auf den auf dem ticket angegebenen plätzen niederlassen möchte, winkt ein mann auf der anderen seite ab und ein weiterer mann kommt mir entgegen, und deutet nach hinten. also folge ich ihm und setze mich auf die angebotenen plätze. der bus macht einen ordentlichen eindruck und der freundliche busbegleiter rät mir, zur eigenen sicherheit, den rucksack unter den sitz zu schieben, da die fahrt durch die berge ziemlich kurvig ist. stefan stößt kurz darauf auch zu uns. er wundert sich kurz warum ich hinten sitze und auch ihm erklärt der mann die umstände der fahrt, schiebt seinen rucksack unter den sitz und stellt stefan gleich mal die lehne nach hinten für ein gemütliches nickerchen. er ist äußert bemüht und hilfsbereit. fast schon einen ticken zu viel und ich scherze mit stefan, dass wir wohl einen persönlichen reise-assistenten haben.

schicksalsgeschichten

während der fahrt auf der panamericana halten wir immer wieder an, und ständig steigen leute aus und ein. auch für kurzstrecken. genau wie die verkäufer, die auf die schnelle chips, eis und andere snacks anbieten. einige von ihnen fahren sogar ein längeres stückchen mit, verteilen schokoriegel an alle und erzählen dann eine lange geschichte. ich nehme an über ihr schicksal und warum es schön wäre, wenn wir die schokoriegel kaufen würden. wer mag, bezahlt, wer nicht mag, gibt die riegel zurück. auch der cotopaxi begleitet uns noch ein weilchen und blitzt immer mal wieder zwischen den hügeln und wolken hervor.

blumen aus ecuador

die landschaft ist meist saftig grün und eine zeitlang sehe ich in den sanften hügeln unmengen von gewächshäusern. wusstet ihr, dass ecuador zu den weltweit größten exporteuren von schnittblumen gehört? eine schöne vorstellung, dass unter den unzähligen weißen dächern unmengen von bunten blumen wohnen, die viele menschen weltweit glücklich machen werden. witzig ist auch, dass uns unterwegs immer wieder alte vw käfer begegnen. die sind wohl in ganz südamerika populär. und schon schwelge ich in erinnerungen. mein erstes auto war auch ein vw käfer. ich weiß noch, wie mein baba dagegen war, von wegen spritschlucker. aber ich ließ mich nicht davon abbringen und erfüllte mir meinen traum. und ich habe ihn geliebt. auch wenn die heizung nur auf der beifahrerseite ging und ich im winter immer mit dem eiskratzer in der hand fahren musste, um innen die scheibe wieder frei zu kratzen. abgeschweift…

pure heuchelei

langsam werden wir unruhig, weil wir dringend mal müssen und mittlerweile sind wir schon drei stunden unterwegs. als es endlich soweit ist und wir unsere rucksäcke hochnehmen scherze ich mit stefan, ob er nicht meinen nehmen kann, weil der viel schwerer ist. er macht seinen rucksack auf und hält inne. irgendetwas stimmt nicht. er schaut noch einmal hinein und: „scheiße, wo ist mein laptop?“ nach genauerem hinsehen ist auch sein handy und seine kleine spielekonsole verschwunden. genau wie der freundliche busbegleiter, der nirgends mehr zu sehen ist. fassungslos schauen wir uns an und können es nicht glauben. jetzt sind wir seit über 7 monaten unterwegs, alles ging gut, abgesehen von ein paar kleinen betrügereien beim geldwechsel etc. und kaum sind wir eine woche in südamerika, werden wir beklaut. ich bin stinksauer. und langsam wird mir auch klar, wie die sache gelaufen ist. erst mal haben sie uns von vorne auf die hinteren sitze verfrachtet. der bus war nicht voll besetzt. dann die ansage: gefährliche straßen, unbedingt die rucksäcke unter den sitz schieben. so konnten die diebe schön vom sitz hinter uns die rucksäcke zu sich holen, schauen, was der inhalt so hergibt, und später dann wieder aussteigen. die papiere etc. sind gott sei dank noch da. ich weiß nicht warum, aber ich habe irgendwann meinen rucksack wieder vorgezogen und hatte ihn die ganze zeit zwischen meinen beinen stehen. da kamen sie nicht ran.

abgekartetes spiel

als wir uns wieder etwas gefasst haben kriegen wir mit, dass vorne im bus gezeter ist. zwei fahrgäste streiten sich mit dem busfahrer und dem offiziellen busbegleiter. wir haken nach und erfahren, dass dem italienischen paar eine jacke geklaut wurde. wir erzählen von unserer misere und die italienische frau besteht darauf, die polizei einzuschalten. kann uns nur recht sein. glücklicherweise spricht das paar auch englisch und so können wir uns gut verständigen. je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass das eine bande von mehreren sein muss. und so, wie sich der offizielle busbegleiter verhält, steckt er da auch mit drin. während die polizei alle personalien aufnimmt, auch von dem busfahrer, zieht er immer mehr den nacken ein, nestelt ständig an hals und krawatte herum, fängt ordentlich an zu schwitzen. und er weicht meinen bohrenden blicken aus. die kamera, die in den bussen pflicht ist, ist natürlich defekt. so ein zufall. am ende will uns die polizei alle mitnehmen, aber der bus muss weiter. deshalb sagt man uns, wir sollen bei ankunft in alausi gleich aufs revier gehen. uns ist schon im vorfeld klar, dass das wenig bringen wird, dennoch machen wir uns bei ankunft zusammen auf den weg.

ehrliches bedauern

ein freundlicher, gut gekleideter mann/polizist mit glänzenden lackschuhen und pomade im haar führt uns in das büro einer frau, die leider nur spanisch spricht. der kollege übersetzt. er versteht deutsch und englisch, antwortet aber meist spontan auf spanisch. zu allererst bremst er die italienische frau mit ihrem temperament etwas aus und erklärt, dass der gegenwert der jacke leider zu gering ist, um überhaupt irgendetwas zu unternehmen. bei uns sieht es da schon anders aus, aber auch uns macht er wenig hoffnung.

ideele werte

die anzeige wird aufgenommen und als wir mit der idee um die ecke kommen, das handy zu tracken, also über gps zu suchen, windet er sich heraus und meint das wäre viel zu aufwändig und überhaupt. ich erkläre ihm, dass es nicht nur um den materiellen wert der gegenstände geht, sondern auch um das, was auf ihnen gespeichert ist. wie lange wir schon unterwegs sind, wo wir schon überall waren, wie viele fotos verloren gehen und liebevoll gesammelte sticker, von jedem land einen, die stefan auf seinem laptop verewigt hat. mir steigen tränen in die augen. sein bedauern ist echt, das merkt man, aber tun kann und wird er dennoch nichts. erst meint er „das ist lateinamerika“ und dann „idioten gibt es aber überall“. und er hat recht. und wir wissen auch, dass wir einfach zu fahrlässig waren. also bedanken wir uns für die zeit und versuchen die geschichte so schnell wie möglich abzuhaken. wobei stefan am abend meint, er hätte eigentlich keine lust mehr und würde am liebsten nach hause gehen. wir gönnen uns als klitzekleinen trost eine wirklich leckere pizza und am nächsten tag ist der gedanke des heimgehens schon wieder verworfen. aber der schock sitzt immer noch tief.

des teufels nase

die hauptattraktion von alausi steht an: die fahrt mit dem zug zur ’nariz del diablo‘ (teufelsnase). die bahnstrecke die zwischen 1899 und 1908 gebaut wurde, galt damals, aufgrund der spektakulären streckenabschnitte, als meisterwerke der ingenieurskunst. ‚die nase des teufels‘ war der gefährlichste teil, da der berg neben den gleisen mehr oder weniger senkrecht abfällt. der name rührt aber wohl eher daher, dass seinerzeit beim bau des schienennetzes einige menschen verunglückt sind.

abschalten und genießen

wo gestern noch graue wolken am himmel hingen, ist heute bestes wetter und es ist richtig warm. am bahnhof treffen wir noch einmal auf das italienische paar. sie haben den ersten zug am morgen genommen und machen sich schon wieder auf die weiterreise. natürlich wieder mit dem bus. wir verabschieden uns herzlich und bedanken uns noch einmal fürs übersetzen. die tickets für den zug haben wir schon übers internet gekauft und wie es ausschaut, haben wir uns spontan für die richtigen plätze entschieden. wagen c 207. unser fenster kann man zur hälfte öffnen und mein kopf hängt quasi die komplette fahrt aus dem fenster. ab und an muss ich ihn einziehen, um nicht an felsen oder büschen zu streifen, aber die aussicht ist einfach wunderschön. die sonnenstrahlen wärmen mein gesicht während die holzwaggons über die gleise rattern. wir werden gerüttelt und geschüttelt während wir an an riesigen kakteen, tollen aloe vera, kleinen flüssen und weidenden kühen vorbei fahren. voll die idylle und ein gefühl von glück durchrieselt mich. weltreise! schöne momente! ergriffen suche ich mal wieder nach stefans hand.

zick-zack-fahrt nach sibambe

zwischendurch rangieren wir immer mal wieder rückwärts, da die gleise teilweise terrassenartig angelegt sind. beim ersten fotostopp sieht man von weitem den berg, der der zugstrecke ihren namen gab. außerdem wartet eine lama-mama mit ihrem süßen nachwuchs sowie ein cowboy mit pferd auf die touristen. gegen ein kleines entgelt kann man sich mit den tieren ablichten. leider ist das mini-lama etwas überfordert und mag das remmidemmi nicht unbedingt. ein kleiner junge nähert sich dem tierchen an und irgendwann streckt und reckt es seinen hals und lässt sich liebevoll von ihm kraulen. beim zweiten stopp fahren wir in den bahnhof ’sibambe‘ ein, wo kleine stände auf uns warten an denen handarbeiten, souvenirs und salben und tee zum kauf angeboten werden. bei einer verschmitzt lächelnden, häkelnden frau kaufen wir eine salbe mit den inhaltsstoffen marihuana und coca, die gegen allerlei beschwerden helfen soll.

ringelreihen

etwas später gibt es eine vorführung der traditionellen tänze der einheimischen, des indigenen volkes puruhá. voll schön anzuschauen, wie die mädels lächelnd ihre tellerröcke fliegen lassen und die männer um aufmerksamkeit buhlend, um sie herum wirbeln. sie hüpfen und laufen und schnaufen angestrengt, aber sie scheinen spaß zu haben. am ende kommt es wie so oft: die zuschauer müssen mit machen. ist klar, dass stefan und ich als erstes aufgefordert werden. drücken gilt nicht. also tanzen wir mit einem süßen kleinen mädel und ihrer mutter ringelreihen, kommen selbst auch noch ein bisschen ins schwitzen und haben spaß. was für eine gelungene, schöne ablenkung nach dem weniger schönen erlebnis am vortag.

stimmungsbild

zurück am bahnhof flanieren wir etwas durch die straßen, sagen ’san pedro‘, dem schutzpatron alausis hoch oben am berg hallo, kaufen uns am marktplatz bei zwei netten, jungen frauen leckere papas mit tomaten und zwiebeln, setzen uns seitlich auf eine treppe und beobachten das muntere treiben im mittelpunkt des städtchens. es sind nur wenige stände aufgebaut und das angebot ist nicht sehr groß. wer neue schuhe braucht und obst kaufen will, wird fündig. in der mitte jagt ein kleiner junge mit begeisterung den tauben hinterher, ein paar der größeren kinder kurven sich gegenseitig mit dem lieferanten-fahrrad über den platz. davor stehen zwei senioren über die motorhaube gebeugt am straßenrand, und basteln an ihrem glänzenden pick-up. beim laden gegenüber wird sich munter ausgetauscht und immer wieder fahren kleine laster vor, und menschen steigen ein und aus. über all das wacht oben am berg die statue des ’san pedro‘. die stimmung ist so entspannt und friedlich, genau das richtige für uns, immer noch hin- und hergerissen zwischen glück und unbegreiflichkeit.

menschen

ich mag die farbenfrohe kleidung der indigenen frauen mit ihren dicken, bunten, manchmal bestickten röcken. darunter tragen sie meist kniestrümpfe oder wollene strumpfhosen und über dem pullover einen bunten poncho, in dem nicht selten selig der kleine nachwuchs schlummert. unter dem wollhut, manchmal mit feder verziert, findet sich meist ein freundliches gesicht mit weichem gesichtsausdruck.
menschen. stundenlang könnte ich sitzen und solche situationen, bilder, das leben auf mich wirken lassen. aber wir reißen uns los. die nächsten stationen wollen geplant, betten gesucht und beiträge sollten geschrieben werden. eine mission haben wir vorher noch: ein günstiges handy für stefan. es wird so schon schwer genug, da wir nur noch einen laptop haben. schreiben und parallel bilder bearbeiten geht schon nicht mehr. außerdem waren auf dem laptop und einem usb-stick auch noch daten vom blog. immer wieder kommt uns die geschichte hoch. aber vor allem stefan…

nach der planung für die nächsten tage gehen wir abends noch mal zum essen raus. nach sonnenuntergang ist nicht mehr viel los in den straßen. eigentlich sind die leute meist freundlich, fragen oft woher wir kommen und versuchen zu plaudern. manche sind aber auch sehr reserviert und man ist sich nicht sicher, ob sie es jetzt gut finden, dass man ihr restaurant betritt oder nicht. so auch die frau am abend. aber wir lassen uns nicht irritieren und genießen unser feines abendessen.

habla inglés?

die besitzerin unserer pension ist ziemlich putzig. euphorisch bejaht sie die frage, ob sie auch englisch spricht. als es darauf ankommt, kommt kein wort raus. sie spricht so gut englisch wie wir spanisch. vielleicht wir sogar ein bisschen mehr spanisch. meist kommen wir mit händen und füßen zum ziel, aber es klappt nicht immer. heute jedoch gibt es eine lösung. nachdem sie unsere frage nicht beantworten konnte, steht sie ein paar minuten später mit dem handy in der hand vor unserer zimmertür. am anderen ende der leitung ist ihre tochter, die fließend englisch spricht.

das schicksal ist manchmal ein verräter

blöderweise müssen wir die weiterfahrt mit der gleichen firma antreten, in deren bus wir beklaut wurden. kein gutes gefühl. als wir am nächsten tag mit suchendem blick an der hauptstraße stehen, spricht uns ein mann auf spanisch an, ob er uns helfen könne. als wir ihm den namen der busgesellschaft sagen, fragt er uns, mal wieder aufgrund unserer aussprache, wo wir herkommen. „deutschland?“, sagt er lachend. „ich spreche auch ein bisschen deutsch.“ er spricht sogar richtig gut und erzählt uns, dass er ein paar jahre in bonn gelebt hat. die abfahrtshalle der busse befindet sich direkt gegenüber. manchmal ist das schicksal gemein, denn es bleibt uns nicht erspart, dem busbegleiter, den wir immer noch verdächtigen, nochmal über den weg zu laufen. kurz erschrocken weicht er unseren blicken aus und macht sich schnellstmöglich vom acker. gut so, denn meine bzw. unsere wut ist immer noch sehr groß. auch wenn wir dagegen ankämpfen. aber dennoch mögen wir ecuador immer noch sehr!
 
 

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